DIE LINKE. Stadtverband Herten: Aktuelles

"Gewalt an Frauen muss gesamtgesellschaftlich abgelehnt werden."

Stellungnahme des SV Vorsitzenden Stefan Springer

Das, was an Silvester in Köln passiert ist, gehört aufs Schärfste verachtet, die Täter müssen dafür zur Rechenschaft gezogen und von einem zuständigen Gericht zu einer angemessenen Strafe, die auf Grundlage geltender Gesetze bestimmt wird, verurteilt werden. Was auch sonst? Dafür leben wir schließlich in einem Rechtsstaat. Und das ist auch richtig so! Darüber muss man doch nicht ernsthaft diskutieren.

Was mich vielmehr irritiert hat und mich auch immer noch verärgert, ist etwas anderes. Anfang März 2014, also vor knapp zwei Jahren, berichtete praktisch jede Zeitung darüber, dass in der Europäischen Union etwa 62 Millionen (!!!) Frauen bereits Opfer von Gewalt wurden, in Deutschland mindestens jede dritte. Von der Dunkelziffer ganz zu schweigen. Alleine diese Zahlen müssten eigentlich das Blut in den Adern gefrieren lassen. Leider habe ich damals allerdings den großen Aufschrei vermisst. Das Thema war nach wenigen Tagen schon wieder vom Tisch.

Jetzt wird endlich drüber geredet! Endlich? Na ja, nicht wirklich… Wie schon vor zwei Jahren so stehen auch diesmal wieder nicht die Opfer von Gewalttaten im Fokus der Öffentlichkeit. Die Tatsache, dass es sich bei den Tätern offenbar nicht um Deutsche handelt, scheint für einige Leute viel wichtiger zu sein als die Taten an sich und führt sämtliche Diskussionen ad absurdum. Wie geht es denn den Opfern von Köln? Darüber hat man praktisch nichts erfahren.

Der eben angesprochene Bericht aus dem März 2014 zeigt doch eindeutig: Gewalt an Frauen ist ein gesamtgesellschaftlichen Problem, dass es leider immer schon gegeben hat und das auch gesamtgesellschaftlich abgelehnt werden muss, unabhängig davon, wer die Täter sind - und natürlich ausnahmslos.

Es liegt mir fern, jemandem den Schwarzen Peter zuzuschieben, denn Schuldzuweisungen bringen jetzt auch nichts mehr. Zumindest können sie die Tat nicht rückgängig machen. Festzuhalten bleibt aber, dass sich viele Seiten nicht mit Ruhm bekleckert haben. Sehr enttäuscht bin ich in dieser Hinsicht vor allem von Henriette Reker. Gerade von einem Menschen, der kürzlich selbst Opfer eines Gewaltangriffs wurde, hätte ich ein besseres Statement verlangt als einen simplen Hinweis auf eine Armlänge Abstand, der in der Realität ohnehin nicht durchsetzbar ist. Aber auch die landes- und bundesweite Politik muss sich den Schuh anziehen. Durch gut ausgebildetes Sicherheitspersonal vor Ort hätte man die Vorfälle vermeiden oder zumindest begrenzen können. Stattdessen wurde das öffentliche System in den letzten Jahren immer mehr kaputtgespart, die Polizei ist unterbesetzt, schlecht organisiert und überfordert.

 

Versagt hat in diesen Tagen aber vor allem unsere Gesellschaft, die den Fokus mehr auf die Täter als die Opfer richtet und sich zu Statements hinreißen lässt, die sich jenseits von Gut und Böse befinden und die ich in dieser Form von einer modernen und aufgeklärten Gesellschaft auch nicht erwartet hätte.

In den sozialen Netzwerken werden mittlerweile virtuelle Bürgerkriegen geführt, ganze Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht gestellt, Selbstjustiz und Bürgerwehren gefordert. Den Menschen, die von sexueller Gewalt betroffen sind, hilft das allerdings am wenigsten. Der Schuss kann schnell nach hinten losgehen und die Stimmung dadurch kippen. Ich stehe dafür ausdrücklich nicht zur Verfügung.